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Grundkurs Alpin – Begehen von Steigen und weglosem Gelände

Vom 22. bis 24. September fand erstmals ein „Grundkurs Alpin – Begehen von Steigen und weglosem Gelände“, unter Leitung von Christoph Rother, Trainer B Hochtouren und Michael Sammer, Trainer C Bergsteigen, statt. Bei unserem Kurs waren wir viel auf unmarkierten Steigen und im weglosen Gelände unterwegs.

Unsere Unterkunft war für zwei Nächte die kleine Zellerhütte (1570m) im Warscheneck-Gebiet.

INFO: Bewegen auf unmarkierten Steigen und weglosem Gelände“ bedeutet, dass man im alpinen bzw. hochalpinen Gelände z.B. auf Jägersteigen oder im nicht markierten und beschilderten Wanderbereich unterwegs ist. Solche Steige und Touren finden sich durchaus im AV-Kartenmaterial und auch in AV-Führern als beschriebene Auf- oder Abstiege. Es gibt die Meinung, dass wegloses Gelände bereits dort anfängt, wo sich keine Wanderwegmarkierungen mehr finden, meist aber sind mit weglosem Gelände mehr oder weniger erkennbare Steige, Zustiegsbereiche zu Klettertouren, felsdurchsetztes Schrofengelände, steile Grashänge (z.B. im Allgäu) und natürlich hochalpine Lagen in Gletscherrückzugsgebieten gemeint. Das heißt aber nicht, dass man abseits der markierten Wege quer durch das Gelände ohne Rücksicht auf naturschutzliche Belange geht, das hat auch nichts mit sog. Abschneidern zu tun. Typischerweise sind solche Touren in den Beschreibungen mit der SAC-Schwierigkeitsskala von T3 bis T6 bewertet, Kletterstellen können im I., II. oder manchmal sogar im III. Grat liegen; also nichts für Bergwanderanfänger.
Weitere Informationen zum Thema „wegloses Gelände“ unter diesem Link: https://www.alpenverein.de/artikel/wandern-weglos-durch-gras-und-schrofen_4cf331a3-c0b2-4cb8-bc3b-bf75bff957e0

Wir starteten freitags vom „Kehrerl“ über den Windhager See steil hinauf zu den „Drei Türmen“ (1842m). Immer schmaler werdend führt der Steig (T4) zu den markanten Felsaufbauten.

Entscheidungstraining: Helm
Im Aufstieg

Einerseits war der die Felsen umgebende Nebel wohltuend, da der beinahe schwindelerregende Tiefblick vermindert war, bei freien Sichtfenstern boten sich dann aber auch faszinierende Blicke auf die Felslandschaften des Kalkmassivs. Zwischen Dolomit- und Dachstein-Kalk lernten die Teilnehmer eine Gruppe zu führen, Entscheidungen der Wegfindung und der Sicherheit zu tragen, zum Beispiel ob und wann der Helm wegen möglichem Stein- oder Gamsschlag aufgesetzt wird. Highlight waren die letzten Meter auf den Gipfel des dritten Turms in leichter Kletterei zwischen Latschen und Karren im Kalk.

nebeliger Aufstieg
Klettern auf den Dritten Turm

Um den langen Aufstieg attraktiver zu machen, übten wir das Gehen am Seil in absturzgefährdetem Gelände. Dazu spannten wir zwischen Blöcken ein Fixseil, das von den Teilnehmern mit Prusik, Degengriff und Sicherungsschlinge sodann begangen wurde.

Nicht genug, bis wir nach über 1500 Höhenmetern auf den Arbesboden kamen, mussten wir im nun „latschendurchsetzten Gelände“, über Schrofen und Blockgelände ansteigen. Am Arbesboden gibt es riesige Dolinen und Karsttrichterformationen auf ca. 2150 Meter Höhe.

Blick auf den einsamen NO-Grat mit Gendarmen (legendäre Tour in 09/2021)
Balancieren über Abgründen
Vor den Arbesböden

Kaum waren wir auf dem gekennzeichneten Weg, trieb es uns schon wieder weg an den Rand des Windhagerkars, um eine potentielle II-er Linie (350m), der Pfeiler links neben der dritten Schuttrinne, auszukundschaften. Ich glaube, die Teilnehmer waren ganz froh, dass der Nebel dann doch zu dicht war, um eine Einschätzung über die Nordwestwand, im Führer als „kaum begangen“ übertitelt (# 1218), einzuholen.

„Auf zur Lieblingshütte“

Nach den ca. 600 Höhenmeter Abstieg erfuhren wir auf der Zeller Hütte (1570m) einen sehr herzlichen Empfang. Theresia, seit sechs Jahren Hüttenwirtin auf der Zeller, präsentierte uns stolz die neuen Lager und Zweibettzimmer des im Frühjahr frisch renovierten Dachgeschosses. Nun kommen auf der Hütte bis zu 30 Personen unter. So erholten wir uns von den Strapazen in der gemütlichen Stube bei Bier, Reindl und wirklich vorzüglichem Topfenstrudl.

Neubau mit neuen Lagern
Reindlessen

An dem langen Abend fanden wir Zeit für die Tourenplanung, Ausrüstung-, Material- sowie Wetterkunde.

Ja, das Wetter beschäftigte uns sehr. Verschiedene Wettermodelle mussten herhalten. „ECWMF“ und „Metoblue“ behielten im Grunde Recht. Am Samstag war die Sonne nicht zu sehen. Das Wetterradar ließ keinen Regentropfen erkennen. Manchmal ist aber der Nieselregen aus den Wolken bei leichtem Wind so fein, dass das Radar ihn nicht darstellen kann.

Auf wildromantischen Jägersteigen (T3) ging es am Samstag hinab zur Michlalm (1450m) im Loigistal, um dann auf immer weniger ausgetreten Steigen durch das Obere Loigistal über Schotterkare in die Wetterlucke vorzustoßen.

auf Steigen zur Michlalm

Es mag den Spruch geben, dass es kein schlechtes Wetter gäbe, sondern nur schlechte Kleidung. Ich glaube, an diesem Tag war das Wetter so schlecht, dass jede noch so gute Regenkleidung an ihre Grenzen stieß. Mit dem aufkommenden Wind in der Wetterlucke waren alle vollkommen durchnässt, der Wind nagte an der Moral. Nur gut, dass es nicht zu kalt war, auch wenn wir die Komfortzone bereits verlassen hatten. Nur die Bewegung und das stete Gehen bewahrte uns vor dem weiteren Auskühlen. An dieser Stelle zollen wir Tourenführer unseren vollen Respekt an die fünf Teilnehmer für ihre Resilienz und ihr Durchhaltevermögen.

Der Ostgipfel des Phyrner Kampl (2204m) wäre über den Nordostgrat (#1193m, II) das Ziel gewesen, den Einstieg im Nebel zu finden, hätte viel Orientierungssinn erfordert; aber Wind und Regen ließen uns von diesem Projekt dann doch sehr schnell Abstand nehmen.

Querung auf Schutthalde unter dem Pyhrner Kampl

Im Windschatten des im Nebel nicht weiter sichtbaren Torsteins (2243m) ging es ein kurzes Stück über den Wanderweg zu den Zwischenwänden. Von hier dann durch das extrem unwirtliche Untere Loigistal wieder zurück. Links und rechts konnten wir in dem schmalen Tälchen wegen des Nebels nur die hohen Wände erahnen, das Blockmaterial zu überwinden war eine große Herausforderung. Als Skitour sicherlich eine feine Sache, aber im Sommer?

Blockfelder im Unteren Loigistal (auf der Skiroute)

Ein besseres Übungsgelände kann man sich für einen Grundkurs Alpin aber kaum vorstellen, so jedenfalls meine Ansicht als Tourenführer. Dann kamen wir zur Höhle, vermutlich dem Dohlenschreckschacht. Dort wollten wir uns unterstellen, wurden aber herb enttäuscht. Ein gähnendes Loch tat sich auf, im hinteren Riss war sogar Schnee zu sehen. Die Tiefe dieses Höllenschlundes konnten wir nicht abschätzen. Immerhin war ein Standplatz mit Schlingen zum Abseilen vorhanden. Keinesfalls war es ein Ort zum Verweilen und Trocknen.

So folgte der lange Abstieg zurück zur Michlalm. Über den Unteren Jägersteig ging es über wahre Steilhänge zum normalen Hüttenanstieg. Die letzten 200 Höhenmeter zur Hütte waren so anstrengend, dass uns die von innen aufkommende Wärme die nasse und klamme Kleidung  ertragen lies. Die Hütte wurde dann zu einem großen Trockenlager umfunktioniert, sämtliche Kleidungsstücke ausgewrungen, selbst die Schuhe. Ein heißer Tee und ein warmer Topfenstrudel waren Zeichen von Zivilisation und Herzlichkeit, nach unserer sechstündigen Übungstour einfach nur wohltuend.

Am Sonntagvormittag waren dann die Schuhe und Kleidungssachen soweit wieder trocken, dass immerhin abgestiegen werden konnte. Zuvor übten wir noch die elementarten Seiltechniken, die Knoten und das Prusiken. An sich sollte es von der Speikwiese über einen eher selten begangenen Steig in das Glöcklkar gehen. Michael und ich analysierten noch alte eigene Fotos und das Orthofoto von Basemap.at.

Seilübungen

Da aber von Osten wieder nasses Ungemach laut Wetterradar drohte, werden wir die Projektidee für den nächsten Kurs im Juni 2024 aufheben.

Text und Bilder: Christoph Rother