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Unterwegs in „Bayerisch Amazonas“

Wo die Donau noch sie selbst ist: unterwegs in „Bayerisch Amazonas“, im Isarmündungsgebiet bei Plattling
Flussspaziergänge in etwas tieferen Lagen sind – das wissen wir – etwas fürs Frühjahr oder für den frühen Herbst. Später im Jahr, wenn die Nebel in den Flusstälern sich fast den ganzen Tag nicht auflösen wollen, zieht’s uns – wann immer es geht – wieder hinauf auf die Bayerwaldhöhen, der Sonne oberhalb der Inversionswolkendecke entgegen.
Das Isarmündungsgebiet hat zwar – oberflächlich gesehen – wenig mit dem üblichen Territorium der Bergliebhaber gemein. Doch wir meinen, dass – wer den längsten Alpenfluss Bayerns, die Isar, verstehen will, aber nicht die Zeit hat, ihr in ihrer vollen Länge zu folgen  – nicht nur das Isar-Ursprungsgebiet im Karwendel und ihren Oberlauf südlich von München, sondern auch ihr Mündungsgebiet besucht haben sollte.
Mehr noch, als für die Isarentdecker, ist das Isarmündungsgebiet auch für jeden, der sich für die Donau interessiert, mehrere Besuche wert, denn neben der Weltenburger Enge, ist die freifließende Donau zwischen Straubing und Vilshofen der letzte Abschnitt, in dem sie noch relativ naturnah sein darf, wo sie nicht durch Steinquader künstlich eingezwängt wird, wie es selbst im Gebiet des Auenforschungszentrums zwischen Neuburg und Ingolstadt geschieht, das hin und wieder (zurzeit gerade nicht) als möglicher dritter bayerischer Nationalpark im Gespräch ist:
Die Donau hat im Laufe der letzten Jahrzehnte rund 70 Prozent ihrer ursprünglichen Auen- und damit Überschwemmungsgebiete durch uns Menschen verloren und damit den natürlichen Schwamm, der sie aufsaugt, der dazu beiträgt, dass ihre Hochwasser keine größeren Schäden anrichten. An der freifließenden Donau locken uns Naturliebhaber und Erholungssuchenden außerdem Sand- und Kiesstrände, darauf hin und wieder bizarr anmutende Treibholzstämme, hochwassergezeichnete Weiden, Altwasser… und wir fragen uns: Sind denn die Menschen blind, emotionslos und eindimensional denkend, dass sie diesen Abschnitt in Gefahr brachten, ihn durch Staustufen, durch Beton zerstören wollten und damit verantwortet hätten, dass geschützte Arten, wie beispielsweise der Flussregenpfeifer, ihren Lebensraum verlieren und aussterben?
Ehrenamtliche, z.B. der Bund Naturschutz in Bayern e.V., protestierten gegen diese Lebensraumzerstörung mal laut, mal leise. Das Donaukreuz bei Niederalteich wurde zum Symbol ihrer Gebete. Wer letztendlich die bayerische Staatsregierung überzeugen konnte, die Donau „sanft“, d.h. ohne weitere Staustufen – also nach der sogenannten „Variante A+“ auszubauen… Wir wissen es nicht. Jedenfalls lenkte der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer 2013 ein, der erste Spatenstich erfolgte durch Markus Söder im Juli 2020 bei Niederwinkling. Bis 2030, so sagt man, werden in den 38 Flusskilometern zwischen Straubing und Vilshofen insgesamt 1,4 Milliarden Euro in Hochwasserschutz- und Schifffahrtsverbesserungsmaßnahmen verbaut. An Land: Polder, Flächen, an denen die Donau bei Hochwasser sich ausbreiten darf, dafür dankbar bewohnte und intensiv bewirtschaftete Flächen weitestgehend in Ruhe lässt. Auch das Isarmündungsgebiet darf weiter pulsieren, das Donauwasser wie ein Schwamm aufsaugen, kurzum: Es darf weiterleben. Im Wasser: Neben Regulierungsbauwerken, die der Schifffahrt nützen, auch lokale Absenkungen und Rinnen, künstliche Inseln aus Kies oder Grobkies, die – abseits der Fahrrinne – für ökologisch wertvolle Strömungsverhältnisse sorgen sollen, denn vor allem Fische brauchen ein abwechslungsreiches Nebeneinander von Tief- und Flachstellen, und wir wissen: Wer Fische schützt, der unterstützt auch diejenigen, die sie als Hauptnahrungsquelle dringend brauchen.  Dazu weiterhin: unverbaute Kies- und Sandstrände, tierische Lebensräume, aber auch Erholungsbänke für uns Menschen…


Wo die Isar auf die Donau trifft: Rundgang in Bayerisch Amazonas    
Tauchen wir ein in den Donauabschnitt, der wohl die größte Artenvielfalt birgt, der am besten zeigt, wie sie war, als der Mensch sie noch nicht in steinerne Korsetts zwängte, der zugleich Lehrbeispiel ist für alle, die sich für ein ökologisches Hochwassermanagement interessieren – zum  Auengebiet rund um die Isarmündung bei Plattling.
Es ist ein Nebeneinander von Welten: Die Isar selbst hat viel von ihrer einstigen Wildheit eingebüßt, doch das, was eine intakte Aue ausmacht – Altarme, flache, stehende Gewässer, ein dichter Auwald mit üppiger, artenreicher Kraut- und Strauchschicht, der sich in Hartholz- und Weichholzaue gliedert, Feuchtflächen – ist geblieben. Sie saugen Wasser auf wie ein gigantischer Schwamm, sie leben von schwankenden Wasserständen und ihrer Dynamik. „Bayerisch Amazonas“ nennen viele Einheimische dieses Gebiet, Naturschützer betonen, dass es zu den bedeutendsten Auenlandschaften Mitteleuropas zählt und seit 1973 als Landschaftsschutzgebiet, der Auenwald seit 1990 als Naturschutzgebiet dauerhaft geschützt ist.
Seit dem Jahr 2000 weist das „Infozentrum Isarmündung“, nach dem damaligen Landrat auch „Dr. Georg Karl Haus“ genannt, bei Moos vor allem dem Erstbesucher den Weg, informiert über Flora und Fauna und Spaziermöglichkeiten durch die Aue, ist Ausgangs- und Zielpunkt des naturinformationstafelbestückten Rundwanderwegs „Infohaus-Runde“, den wir heute begehen wollen.
Wir parken also am Infozentrum Isarmündung, folgen den Schildern der „Infohausrunde“ bzw. der Straße, biegen dann rechts ab, folgen den Rundwegschildern, die – vorbei an einer Auerochsenweide samt deren Bewohner – hineinführen in den Wald und hinüber zum Vogelbeobachtungsturm an der Isar. Jetzt – im Herbst ist’s hier blumenmäßig zugegebenermaßen weniger ergiebig, als in der wärmeren Jahreszeit.
In ihr hätten unseren Weg begleitet: gelbe Grannen-Klappertöpfe, Dunkle Akeleien, die wir eigentlich aus den Voralpen kennen, filigrane Ästige Graslilien, Mücken-Händelwurz, Wiesen-Alant oder der Arznei-Haarstrang, Sumpf-Gladiolen, die – anders als ihr Name vermuten lässt, sich auffallend resistent gegen Austrocknung zu wehren wissen und doch sowohl in Bayern als auch in Deutschland stark gefährdet sind.
Jahreszeitabhängig und daher in der wärmeren Jahreszeit vielfältiger ist auch der Gesang der Vögel und nur mit seiner Hilfe lassen sich ihre Urheber entdecken: das Blaukehlchen, das besonders auf eine ungestörte, großflächige Weichholzaue angewiesen ist, die Beutelmeise oder der Halsbandschnäpper. Auch eine sehr seltene Spechtart, der Mittelspecht, ist auf naturnahe Hartholzwälder angewiesen. Wo es feucht ist, quaken in der warmen Jahreszeit nicht nur Frösche, isarmündungsspezifisch genannt seien hier vor allem Moorfrosch und Springfrosch, sondern es jagen auch Libellen. Am auffälligsten ist die blau-schwarz gebänderte, in Deutschland ebenfalls vom Ausserben bedrohte, Vogel-Azurjungfer.
Leider werden wir jetzt – im Herbst – keinen von ihnen mehr entdecken, nehmen uns daher vor, nächstes Frühjahr wiederzukommen…
Was wir aber bestimmt sehen, ist das eine oder andere Biberbauwerk, der eine oder andere Biberbaum. Die Biber sind es, die die Aue verändern und verhindern, dass sie einschläft, dass ihr Wasser in den ewig gleichen Bahnen fließt… und natürlich das Hochwasser, die Donau, die sie mit Leben speist. Eine eingezwängte, verbaute Donau wäre zu so etwas nicht mehr fähig: Sie ergießt ihr Wasser über bebaute Flächen, hält nicht die Aue am Leben, sondern sie zerstört.


Langsam schlendern wir dahin… Die Müderen folgen den Rundwegpfeilen, die Neugierigen setzen ihren Weg fort hinüber zur Wüstung von Isarmünd, von dort folgen sie den Pfeilen hinunter zur Donau. Abgeschiedenheit, ein Sandstrand mit Muscheln: Wer Radau machen will, der scheut sogar Spaziergänge…
Es sind diese dankbaren Momente, die uns Kraft geben und wir fragen uns: Empfinden die, die die Natur ausbeuten wollen, die nur ans Geld denken, nicht auch so? Was nichts oder wenig kostet, ist nichts wert. Doch halt! Keine trüben Gedanken, hin und wieder hat der Naturschutz ja auch Erfolge zu verzeichnen – wie hier, an der freifließenden Donau.
Für unseren Rückweg wählen wir anfangs den gleichen Weg, folgen ab der bereits erwähnten Abzweigung jedoch den Pfeilen der „Infohausrunde“ zurück zum „Infohaus Isarmündung“.

Link: Outdooractive Tour

Text und Bilder: Isabelle Auer

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