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Spontan auf historischen Wegen in den Dolomiten

Ein Erlebnisbericht von Lukas Wallisch und Hans Peter Dersch

Da wir schon letztes Jahr einige schöne Touren erlebt hatten, war für Hans Peter und mich klar, auch dieses Jahr wieder gemeinsam etwas in den Alpen zu unternehmen. Nachdem einige eher kletterlastige Unternehmungen, unter anderem der Kraxengrat, zu den schönsten Erlebnissen des vergangenen Jahres zählten, beschlossen wir bei unserem Planungsabend, heuer eines von Hans Peter großen Zielen in Angriff zu nehmen. Die Besteigung einer der Drei Zinnen. Welchen von den dreien es werden sollte, wollten wir erst nach einer genauen Durchsicht der Wegbeschreibungen festlegen. Auch hatten wir nur einen groben Zeitplan: möglichst nach den Sommerferien, vor meinem Semesterbeginn und wenn möglich drei Tage, um dem größten Trubel zu entgehen und zumindest etwas die lange Anreise zu rechtfertigen.

SCHWIERIGE ENTSCHEIDUNGEN

Nachdem zu Beginn der Sommersaison aufgrund von Covid19 nur wenige Touren möglich waren, schob sich dementsprechend unsere gesamte Planung deutlich nach hinten und so wurde es am Ende richtig schwierig, noch einen Termin zu finden. Auch die Entscheidung, auf welche Zinne wir nun eigentlich kraxeln, war nicht einfach. Die Kleine mit doch etwas anspruchsvollerem Kletterpassagen, die Westliche mit den langen seilfreien Stücken oder doch die Große Zinne mit ihrem schlecht zu findenden Normalweg. Nachdem mir Hans Peter die Entscheidung für das Hauptziel überlies, wurde es nach langen Hin und Her die Kleine Zinne und auf seinen Vorschlag hin, planten wir die Westliche für den zweiten Tag, falls wir die Kleine wegen der Kletterschwierigkeit nicht schaffen sollten. Womit wir beide jeweils eine Tour hatten, auf der wir uns wohler fühlten und eine, die unseren Puls etwas höher schlagen lassen sollte. Für den dritten Tag fassten wir den Paternkofel (2744m) ins Auge, um eine entspannte Ausgehtour auf historischen Wegen zu haben.
So hatten wir Anfang September zumindest eine Ahnung wo es genau hingehen sollte. Nur das Wann war immer noch ein großes Fragezeichen. Für Mitte September kündigte sich auch noch eine Schlechtwetterfront an, bei der es fraglich war, ob nach dieser eine Besteigung mit Sommerausrüstung überhaupt noch möglich wäre. Zudem hatte ich mit zwei Freundinnen von Mittwoch (9.9.20) bis Freitag (11.9.20) schon eine gemütliche Tour auf die Passauer Hütte (2051m) geplant.
Bei einem Krisentelefonat am Donnerstag (10.09.20), noch von der Hütte aus, kommt von Hans Peter der Vorschlag, die Tour noch am bevorstehenden Wochenende zu starten. So vereinbaren wir, dass ich mich am Freitagabend bzw. Samstagvormittag bei ihm melde, um dann zu entscheiden ob das so kurzfristig klappt. Da ich die drei Tage am Birnhorn (2634m)  überraschend gut wegstecke und Hans Peter noch kurzfristig für Montag und Dienstag Urlaub bekam, entscheiden wir Samstagvormittag noch am selben Tag gegen 18:00 Uhr in Richtung Dolomiten zu starten. Gesagt getan und mit meiner, leider typischen Verspätung, sitzen wir dann um halb sieben im VW-Bus, unterwegs zu den drei berühmten Felstürmen.
Nach über sechs Stunden Fahrt kommen wir gegen 1:15 am Parkplatz an der Auronzo Hütte (2333m) an und legen uns nach kurzer, aber erfolgreicher Standplatzsuche sofort schlafen.

TAG 1: GENUSSKLETTERN AUF DIE KLEINE ZINNE

Um 7:30 läutet der Wecker für unseren ersten Tag. Nach einem gemütlichen Frühstück und dem Packen unserer Rucksäcke, geht es eine Stunde später auch schon los. Ungefähr um 9:30, nach einem kurzen, nicht ganz geplanten Umweg, stehen wir auch schon fast am Einstieg zum Normalweg auf die kleine Zinne (2857m)

Man sieht die Vorfreude

Noch in sicherem Abstand, um vor Steinschlag geschützt zu sein, legen wir unsere Ausrüstung an und dann geht es auch schon los. Ich darf die erste Seillänge übernehmen. Vorbei an dem in die Felswand eingeritzten weißen Pfeil, der den Einstieg markiert, geht es zuerst im dreier Gelände dann über ein Schuttband zum ersten Standplatz an einer nicht ganz so massiven Sanduhr. Hans Peter steigt nach und als er ankommt ist ihm, genauso wie mir, das Grinsen ins Gesicht geschrieben. Die Kletterei geht deutlich besser als erwartet, vor Allem scheint der Dolomit deutlich weniger brüchig als ein Blick von der Ferne vermuten lässt.
Hammer gehd des guad heid!

Als ich dann zu Hans Peter auf den nächsten Standplatz nachkomme müssen wir beide schmunzeln. Er hat den Mobilen von einem Salzburger Pärchen vor uns übernommen, da laut ihnen der offiziellen nicht zu finden sei. Kurz nachdem ich losgeklettert bin, entdeckt er ihn dann doch… keine fünf Meter unter ihm und eigentlich nicht zu übersehen. Dadurch wird die nächste Seillänge etwas kürzer und da sich die drauffolgende durch etwas Klettern im 2-3er Gelände deutlich abkürzen lässt, lasse ich einen Standplatz aus. Unser 60m Seil reicht gerade so bis zum Standplatz nach der vierten offiziellen Seillänge.
Etwas steiler, perfekte Genusskletterei

Von hier aus wird es nochmals etwas steiler und wir erreichen nach zwei weitern Seillängen einen gelben Überhang. Dieser wird durch eine Traverse nach links in wiederum zwei Seillängen umgangen.
Ausblick vorbei am gelben Überhang

Hier befindet man sich laut Topo zum Teil in 4- Gelände, aus unserer Sicht jedoch eher eine 3 bis 3+. Nach zwei weitern Seillängen erreichen wir den Sattel zwischen kleiner Zinne (2857m) und ihrem Vorgipfel.
Blick zur Cadini-Gruppe

Wie lange der sich wohl noch hält… Der Block hinten, nicht Hans Peter!

Hier machen wir erst einmal gemütlich Brotzeit bei bestem Blick auf die Schlüsselstelle, die uns erst noch bevorsteht. Dabei können wir auch die Seilschaft von vorhin beobachten, wie sie sich mit dem ungeduldigen Gegenverkehr abmühen. Und tatsächlich tritt eine der entgegenkommenden Seilschaften ein paar Steine los. Sie verfehlen die zwei Salzburger zum Glück, wenn auch nur knapp. Das Ganze hätte durch 10 Minuten Warten von der oberen Seilschaft leicht vermieden werden könne, aber naja…
Gegenverkehr in der Schlüsselstelle

Die entgegenkommenden Seilschaften sind jetzt auch an uns vorbei, auf zum Endspurt. Hans Peter verbindet die beiden Seillängen vor dem Zsigmondy-Kamin zu einer und lässt mir somit den Vortritt für die Schlüsselstelle durch diese hindurch. Noch mit einem Tipp von ihm im Ohr, von einem in einem Bericht beschriebenem Untergriff, geht’s noch ein zwei Meter nach links und von da an senkrecht durch den Kamin. Die vielen schönen Griffe bisher machen sich plötzlich ganz schön rar und vor allem sind die verbleibenden gut abgespeckt. Egal ich will da jetzt rauf, also Arschbacken zusammenkneifen und den Untergriff fest in der Hand über die Schlüsselstelle und danach noch etwa 10 Meter bis zum nächsten Standplatz.
Die Schlüsselstelle, der Zsigmondy-Kamin

Die Schlüsselstelle ist geschafft!

Auch Hans Peter steigt ohne Probleme über die Schlüsselstelle zu mir auf. Die letzten 10 Meter überwinden wir am laufenden Seil und plötzlich stehen wir am alten schmiedeeisernen Gipfelkreuz. Geschafft! Beide grinsen wir über beide Ohren, das hat ja hervorragend geklappt.
Entspannen am Brotzeitplatzl

respektvoller Blick zur Schlüsselstelle von Hans Peter

Nach einer kurzen Pause und ein paar Gipfelfotos gehts auch schon an den Abstieg.
Auf der kleinen Zinne… Juhu!

Der erste Abseilstand noch bestehend aus zwei Schlaghaken, alle darauffolgenden scheinen in den letzten Jahren saniert worden zu sein und sind so überdimensioniert, dass man eine Kuh dranhängen könnte. Zuerst folgt man noch der Aufstiegsroute, nach dem sechsten Abseiler gehts nur noch gerade runter, bis wir unten in der Rinne zwischen Großer (2999m) und Kleiner Zinne (2857m) angelangen. Dieser folgen wir über ein paar Stufen, eine kann man abseilen, hinunter vorbei am Einstieg zum Zustiegsweg. Auf diesem machen wir noch einen kurzen Abstecher zur Alpini-Kapelle, halten kurz inne und freuen uns über den gelungenen Tag und den super Verlauf der Tour. Verletzungsfrei, perfektes Wetter, top Form und eine Topo die stimmt, was will man mehr?
A bissal fertig oba glücklich, guad is ganga!

Zurück am Bus wird sofort gekocht und zu einem malerischen Sonnenuntergang gibt es Dreierlei Tortellini mit Schinken-Sahne-Soße.
Kitsch direkt vom Schlafplatz aus

Man gönnt sich ja sonst nichts. Anschließend folgt noch eine intensive Vorbereitung auf die Westliche Zinne, was wir bis jetzt etwas vernachlässigt hatten.

TAG 2: ALPIN AUF DIE WESTLICHE ZINNE

Um die etwas längere Tour wieder ohne Stress gehen zu können, läutet heute der Wecker noch etwas früher. Nach einem ausgiebigen Frühstück und noch etwas Umpacken, unter anderem auf ein 50m Halbseil, starten wir um 8:00 Uhr wieder vorbei am Rifugio Auronzo (2333m). 45 Minuten Zustieg sind ja angenehm kurz und einen, mit orangen Strichen markierten, Einstieg kann man ja nicht verfehlen… leider nur wenn man in der richtigen Schlucht sucht. Nach einer viertel Stunde und etwas seilfreier Kletterei im oberen 3ten Schwierigkeitsgrad sehe ich ein, dass ich hier anscheinend komplett falsch bin. Hans Peter hat zum Glück vor der Stelle unten gewartet und erspart sich so die unangenehme Abkletterei. Ich schicke ihn dann auch schon mal voraus, damit er die nächste Schlucht schon mal begutachten kann und mir nicht beim runtersteigen zusehen muss. Er hat dann auch mehr Glück als ich und findet den Einstieg auf Anhieb. Die orangen Markierungen sind überraschend gut auf dem zum Teil gelblichem Dolomit zu sehen. Bis ich bei ihm bin vergehen aber nochmals 20 Minuten.
Wegen dem drohenden Steinschlag in gehörigem Abstand voneinander, folgen wir von hier aus einer steilen Schuttrinne. Aus dieser steigen wir dann ein paar Meter steil auf, umrunden einen Felskopf und gelangen über eine weitere Rinne zu einem großen Schuttfeld. Dieses überquerend gelangen wir zu einer Wand durch die die Route im 2ten bis 3ten Grad ungefähr 30 Meter hinaufführt. Danach folgt eine unangenehme und sehr ausgesetzte Querung in eine breite Rinne in der viel loses Geröll liegt.

Spannende Querung

An ihrem oberen Ende erreichen wir die Scharte zwischen Vor- und Hauptgipfel. Hier gibt es erst mal eine ausgiebige Brotzeit, bevor wir durch einen steilen und engen Kamin im oberen dritten Grad ca. 20 Meter zum großen Ringband aufsteigen.
Kamin im oberen 3 Grad

Diesem folgen wir zuerst nach links und erreichen nach ungefähr 100 Meter, etwas Zickzack und einer kleinen Rampe den Biwakplatz. Auch das nächste Band ist nochmal ohne wirkliche Kletterschwierigkeit zu erreichen. Dieses wird jedoch zunehmend schmäler weshalb wir uns an einem leicht abfallenden, abdrängenden und ausgesetzten Pfeiler entscheiden anzuseilen, auch weil der Weiterweg danach nicht einsehbar ist. Mehr oder weniger kriechend gehts dann um den Pfeiler und über eine kurze, zum Teil plattige Wand zum Standplatz. Von da aus startet Hans Peter im Vorstieg ungefähr 20 Meter auf gleicher Höhe über ein Band und durch eine Kleine Rinne zum nächsten Standplatz.
Die große Zinne im Rücken

Die kommenden beiden Seillängen verbinde ich wieder zu Einer, um heute Hans Peter den Vortritt an der Schlüsselstelle zu lassen. Nach einer kleinen Abkürzung und etwas Warten in der Mitte der zweiten Seillänge, weil eine andere Seilschaft schon am Abseilen ist, gelange ich über eine kurze steile Wand zum Standplatz unterhalb der Schlüsselstelle. Hans Peter kommt zügig nach und nachdem die nächste Seilschaft, die uns entgegenkommt, vorbei ist steigt er 10 Meter an der rechten Wand hinauf zu einem kleinen Podest und steht direkt vor der Schlüsselstelle. Dieser Spreizschritt an den Block auf der anderen Schluchtseite ist mittlerweile eine 4+ und nicht mehr eine 3+ wie in der Topo beschrieben, da ein schöner Tritt ausgebrochen ist. Doch Hans Peter lässt sich davon nicht groß beeindrucken und überwindet diesen, bis auf einen kleinen „Verhedderer“ im eigentlich als Hilfe angebrachten Seil, problemlos.
In der Schlüsselstelle vom zweiten Tag

Hans Peter in der Schlüsselstelle

Auch ich kann ihm ohne Schwierigkeiten, über die doch sehr ungewohnte Kletterfigur auf den Block und zum nächsten Stand folgen. Von da aus gehen wir am laufenden Seil über ein Band, klettern dabei kurz in eine Rinne ab und erreichen nach ein paar Gehmetern durch eine weitere Rinne eine ungefähr 5 Meter hohe Wand. Diese ist gut abgespeckt und ausgesetzt, dementsprechend unangenehm zu klettern. Nach dieser geht es größtenteils auf gleichbleibender Höhe und über einen weiteren Spreizschritt oder eher Sprung zum Gipfel.
Sprung zurück über den oberen Spreizschritt

Der nächste springt

Obwohl am Gipfel der Westliche Zinne (2973m) eigentlich genügend Platz wäre, belagern die schon anwesenden Seilschaften den Platz direkt an und um das Gipfelkreuz. So verschieben wir unser Gipfelfoto und machen erst mal auf einem der Türme neben dem Gipfel Pause. Die nächste Seilschaft macht sich auch wieder direkt unter dem Gipfelkreuz breit, aber als wir dann für das Erinnerungsfoto zum Gipfelkreuz gehen fällt ihnen auf, dass Ihre Platzwahl vielleicht etwas suboptimal war und bieten dafür an, das Foto von uns zu machen. Das nutzen wir gerne und umgekehrt machen wir auch eins von ihnen.
Auf dem Gipfel der westlichen Zinne

Noch schnell die restliche Verpflegung und die Jacke verpackt und schon geht’s an den Abstieg. Wieder zum Großteil mittels Abseilen, was bei Hans Peter im Gegensatz zu mir, wenig Begeisterung hervorruft. Vorbei am oberen Spreizschritt zum Abseilstand oberhalb der abgespeckten Wand. Von diesem folgen wir dem, schon von der anderen Richtung bekannten, Weg bis zur Schlüsselstelle des Aufstiegs. Über diese mit einem kurzen 10m Abseiler zum nächsten Abseilstand. Von dem es erst mal 45m bis auf ein Band geht. Darauf queren wir dann ein paar Meter nach rechts und seilen uns vergleichsweise kurze 15 Meter zum nächsten Band ab. Von dort aus weiter über einen ca. 50 Meter Abseiler direkt zum Biwakplatz am großen Ringband.
50m „Abseiler“

Auf diesem gehen wir die 100 Meter zurück zum Kamin vom Aufstieg. An diesem vorbei seilen wir nochmals knappe 50 Meter ab und lassen einen auflaufenden Einzelkämpfer die Abseilpiste selbstverständlich mitnutzen. Der nächste Abseilstand ist leider etwas schwieriger zu finden, auch der junge Mann kann uns nicht weiterhelfen, da er an dieser Stelle abklettert und nicht abseilt. Nach einer Viertelstunde suchen finden wir den Standplatz dann doch noch und seilen uns ein weiteres mal 50 Meter zu dem großen Schuttfeld ab. Unten angekommen stellen wir fest, „Mist“ anscheinend hat sich das Seil irgendwie verklemmt. Auch durch Ziehen mit ganzem Körpergewicht lässt es sich nicht befreien. Aber wir haben Glück, genau jetzt kommt ein Bergführer mit Gast vorbei und dieser lässt es sich nicht nehmen uns direkt zu helfen. Mit der besseren Technik ist das Seil auch schnell befreit und wird, da ab hier kein Abseilstand mehr kommt, anschließend auch gleich weggepackt.
Nun geht es hinunter über das Schuttfeld zu einer kleinen Rinne auf eine kleine Terrasse auf der ein Holzbalken liegt, den wir uns schon beim Aufstieg als Pausenplatz ausgemacht hatten. Nochmals gestärkt geht es dann die restlichen Meter hinab zur Schuttrinne und von da aus zur Schlucht zwischen Westlicher und Großer Zinne (2999m). Nach dieser wählen wir einen etwas anderen Weg als beim Zustieg und folgen einem wunderschönen Steig direkt am Wandfuß zu den oberen Parkplätzen an der Auronzohütte (2333m). Hier geht’s schließlich vorbei am Refugio zurück zum Auto, wo ich nach einer Kurzen Katzenwäsche auch wieder direkt mit dem Kochen beginne. Wenig später sitzen wir vorm Bus und genießen heute mit Gnocchi in Tomaten-Bärlauch-Soße in der Schüssel den Sonnenuntergang. Anschießend machen wir uns noch an die Vorbereitungen für den letzten Tag und ich machen noch ein paar Langzeitbelichtungen, während Hans Peter schon schläft.

TAG 3: ENTSPANNT AUF DEN PATERNKOFEL UND UM DIE DREI ZINNEN

Wieder läutet der Wecker um 7:00 Uhr, so gar nicht meine Zeit, aber was macht man nicht alles für die Berge. Nach einer gefühlten Ewigkeit schaffe ich es auch endlich mal aus dem Bett. Das Frühstück war sehr entspannt und starten wir glücklich und beseelt von den letzten beiden Touren gegen 8:30 Uhr los.
 

Die drei Zinnen wie man sie kennt

Wie schon an den vorangegangenen Tagen geht’s erst mal am Rifugio Auronzo vorbei und dann auf dem „Weg“ 101 Richtung Dreizinnenhütte (2405m). Dieser gleicht schon fast einer Gebirgsautobahn, so viele Menschen wie auf ihm unterwegs sind. Vorbei an der Lavaredohütte und schon sind wir auf dem Paternsattel (2454m). Von hier aus wählen wir den weniger stark frequentierten, wandnäheren Steig. Dieser führt uns vorbei an einigen Stellungen aus dem ersten Weltkrieg, die wir neugierig erkunden. An der Hütte stärken wir uns noch kurz, legen unsere Ausrüstung an und machen uns vorbei an einer, als Frankfurter Würstel bezeichneten, Felsformation auf zum Innerkofler Steig.
Panorama vom Paternsattel bis zur Drei Zinne Hütte

Dieser führt gleich zu Beginn durch einen Stollen, der von Soldaten im ersten Weltkrieg in den Berg getrieben wurde, die „Galleria Paterna“. Durch ein paar Schießscharten ergeben sich atemberaubende Blicke, zugleich erschaudern wir bei dem Gedanken, wie es den Soldaten hier ergangen haben muss. Entzerrt sich der Menschenstrom hier durch den steilen Stollen noch etwas, merken wir spätestens an dessen Ende, dass die Beschreibung aus dem Klettersteigführer „… oft völlig überlaufen“ leider nicht übertrieben ist. Vor allem ist erschreckend welche Pappnasen,  die zum Teil hier überhaupt nichts verloren haben, unterwegs sind.
Stau im Klettersteig

Nichtsdestotrotz sind alle sehr nett und uns wird des Öfteren angeboten ob wir überholen möchten, anscheinend sieht man uns an, dass wir von den beiden vorangegangenen Tagen beflügelt sind. Oder es ist das Tempo mit dem wir aufholen beziehungsweiße an ihnen an geeigneter Stelle seilfrei neben dem Klettersteig vorbeisteigen. Da im letzten Abschnitt vor der Gamsscharte aber wieder deutlich mehr Geröll liegt, bleiben wir, um uns und vor Allem die anderen nicht unnötig zu gefährden auf den mit Metall vorgegeben Weg. Von dort aus queren wir etwa 15 Meter zur gegenüberliegenden Wand und folgen dort dem Stahlseil in einer Einbahnstraßenregelung bis zum Ende der Sicherung.
Blick zur kleinen Zinne

Ab da geht es auf einem nicht sehr anspruchsvollen Steig weiter zu einer kleinen Kletterpassage. Weil die entgegenkommende Gruppe bei jedem Tritt einen kleinen Gesteinshagel auslöst, werden wird dort direkt mit Steinschlag begrüßt. Aber auch das kann uns heute nicht aufhalten und schon kurz darauf stehen wir am Gipfelkreuz (2744m)… unter gefühlt 1000 anderen Individualisten. Das hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Aber wie so oft haben wir Glück und finden etwas abseits und versteckt hinter dem Gipfelkreuz einen Steinblock auf den wir klettern und uns wieder einmal stärken.
Versteckt auf dem Paternkofel

Dabei gehen unsere stolze Blicke nicht nur einmal in Richtung der drei Zinnen, die man von hier hervorragend begutachten kann. Aber auch die vielen Stellungen fallen ins Auge, selbst direkt am Gipfel sind diese in Stein gehauenen Zeitzeugnisse noch immer sehr markant,was uns wieder etwas nachdenklich stimmt.
Etwas später machen wir uns wieder an den Abstieg. Vorbei an den Massen auf dem Gipfelplateau über die kurze Kletterstelle, die, auch komplett ohne einen Stein zu lösen, überwunden werden kann und dem kurzen Einbahnklettersteigstück zur Gamsscharte. Um dem Gedränge zu entkommen gehen wir von hier aus nicht auf dem Aufstiegsweg, sondern entgegengesetzt eine Schuttrinne hinunter. Von dieser aus gelangen wir wiederum auf einen ehemaligen „Kriegsweg“ der sich in die Nordflanke des Passportenkofel schneidet.
Durchbruch an der Passportenscharte

Historische Wege aus dem 1. Weltkrieg

Vorbei an der Passportenscharte (2530m) und zahlreichen Stellungen, von denen wir einige begutachten und die es schaffen uns trotz der sommerlichen Temperaturen einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen, gelangen wir zu einem weiteren Stollen.
Blick aus einer ehemaligen Stellung zu den Zinnen

Ausblick aus einer der Stellungen

Durch diesen kommen wir, zum Teil auf allen Vieren, wieder auf die Südseite und stehen nach ein paar ausgesetzten Meter wieder am Paternsattel (2454m).
Wir sind gut in der Zeit so entscheiden wir uns, die Umrundung komplett zu machen. Um den Menschenmassen zu entgehen wählen wir einen der Steige in der Nähe des Wandfußes. Dieser führt uns zum Teil etwas unwegsam und teilweise schwer erkennbar an den Wänden der Drei Zinnen vorbei. Hier wirken sie aus dieser Perspektive nochmals deutlich beeindruckender. Bei diesem Anblick können wir uns nicht so recht vorstellen, dass hier Routen sogar schon Free Solo bezwungen worden sind und stellen fest, dass das definitiv nichts für uns ist.
Stoamandlmeer am Paternsattel

Während wir zum Teil in Gedanken verloren über die erfolgreichen letzten beiden Tage und die bewegte Geschichte der uns umgebenden Landschaft sinnieren und noch ein paar Klettergeschichten über diese Felsmonumente austauschen vergeht der Rest des Weges auf einmal viel zu schnell. Plötzlich stehen wir schon wieder auf der Touriautobahn, kurz werfen wir nochmal einen sehnsüchtigen Blick zurück auf den nahezu verlassenen Steig und bewundern eine Seilschaft die sich vermutlich im oberen Drittel der Route „Pressknödl“ von Christoph Hainz befinden.
Zwei Kletterer vermutlich in der Route Pressknödel an der westlichen Zinne

Dann folgen wir den Massen im Gänsemarsch und gemächlichem Tempo zurück zum Parkplatz an der Auronzo Hütte (2333m). Dort angekommen verstauen wir gemütlich unsere Ausrüstung und haben noch nicht einmal die Hälfte verpackt, als uns schon der zweite Camper fragt, ob er unseren Standplatz haben kann. Auf die Idee mit der Zeit nach den Sommerferien sind offensichtlich nicht nur wir gekommen. Kurz darauf ist auch schon alles eingeräumt und es geht wieder Richtung Heimat.
In Toblach machen wir noch an einer Tankstelle Halt und füllen das nötigste in den Tank um über die Grenze nach Österreich zu kommen. Da die Pizzeria direkt daneben schon offen hat kehren wir hier noch kurz ein. Nach einem weiteren Tankstopp bei unseren Nachbarn und sonst ereignisloser Fahrt, liefere ich Hans Peter Zuhause ab, bevor ich dann um 00:15 auch endlich daheim ankomme.
Alles in allem drei sehr erfolgreiche, wunderschöneschöne und gelungene Tage, die mir und mit Sicherheit auch Hans Peter noch lange in Erinnerung bleiben werden.

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